von Bernhard Sommer

Widerstand ist zwecklos!

Widerstand ist zwecklos!
Mag sein, aber man kann sich morgens besser rasieren.


"Der Zug ist abgefahren!" steht offenbar am Beginn jeder kritischen Auseinandersetzung mit Ideen wie BIM-Pflicht, PPP oder TTIP. Gewiss haben die diese Projekte Sinn, nur möglicherweise nicht für allzu viele.

Nehmen wir zum Beispiel PPP. Ich habe noch nie jemanden persönlich getroffen, der von der Finanzierung des Wiener Schulbaus mit Hilfe von PPP-Modellen begeistert war - und das, obwohl ich gemeinsam mit Peter Bauer und Christoph Mayrhofer seit bald einem Jahr mit der Stadt Wien Gespräche führe, wie die Vergabe aussehen müsste, damit jene Qualitätssicherung gewährleistet ist, die diese sensible Bauaufgabe erfordert. Seitens der Stadt, die diese Finanzierungsmethode gewählt hat - aus ihrer Sicht wählen musste - hört man nur, dass die Kosten einer so finanzierten Schule nicht im Budget ausgewiesen werden müssen.


Nun ist mir vor kurzem ein Interview eines Befürworters von PPP-Verfahren untergekommen. Es handelt sich dabei um den Konzern-Chef eines bedeutenden österreichischen Baukonzerns. Dieser sagte am 17. Mai in einem Interview mit der "Presse" über den deutschen Markt:


"Es mangelt nicht am Geld, denn die deutsche Regierung hat ja ein Paket von fünf Mrd. Euro bereitgestellt. Um den Engpass bei den Planungskapazitäten schneller zu beheben, müsste man die Planung auslagern. Entweder an unabhängige Planer oder an die bauenden Unternehmen in Form von Design-and-Build-Konzepten, wie sie bei PPP-Modellen üblich sind. Aber da bremst man in Deutschland momentan aus ideologischen Gründen, weil man irrtümlicherweise glaubt, man verscherble staatliches Eigentum."


Sowie die bekanntermaßen wirtschaftlich leichtsinnigen Deutschen bei TTIP und bei BIM-Pflicht bremsen. Auch eine andere Bemerkung aus diesem Interview ist interessant: "Als Unternehmer würde man sich weniger Wettbewerb wünschen."


Ein ähnliches unternehmerisches Selbstverständnis haben wohl jene Unternehmer, die sich für eine BIM-Pflicht stark machen, dafür also, dass bei behördlicher Einreichung von Projekten oder bei der Vergabe von Planungsaufträgen ein BIM-Datenmodell abzugeben ist.


Dass es einen Engpass bei den Planungskapazitäten geben soll, ist bemerkenswert. In Österreich stünden jedenfalls ArchitektInnen und IKs mit ihren Büros bereit, gerne auch Aufträge in Deutschland anzunehmen. Die allermeisten von ihnen werden vermutlich die geforderten Referenzen nicht erfüllen können.


Womit wir noch ein anderes Thema anreißen können: das Thema kleinteiliger Strukturen, wie es erfreulicherweise von der derzeitigen Stadtregierung in der Stadtplanung thematisiert wurde (z.B. im Werkstattbericht Nr. 121 Stadt Wien, MA18). Ein Aspekt der bei diesem Diskurs zu kurz kommt, ist jener der Macht. Kleinere Strukturen (egal, ob es sich um Städtebau oder um Auftragsvolumina handelt) bedeuten auch eine Zersplitterung der Macht. Die Durchsetzung von Kleinteiligkeit müsste also bei den Machtstrukturen beginnen und nicht erst bei Gedanken zu Finanzierung oder Fragen technischer und ökonomischer Machbarkeit.


Größer zu sein ist oft effizienter, aber es gibt Größenordnungen, die die Effizienz wieder zunichte machen. Am 10.06.2015 titelte des eMagazin german-architects: "Scheitern Großbauprojekte am Tunnelblick?" und berichtet: "Was Bauchgefühl und Allgemeinwissen schon lange vermuten, hat jetzt ein wissenschaftliches Fundament erhalten: Wissenschaftler der TU Darmstadt haben in einer Studie untersucht, wie kognitive Verzerrungen bei Entscheidungsträgern von Großbauprojekten zu Fehlentscheidungen führen können – die wiederum häufig Kosten- und Zeitplanungen sprengen." Die Darmstädter Forscher haben einen Tipp: "Hilfreich sei es, Entscheidungen prinzipiell nicht alleine zu treffen, sondern auch der Sichtweise von jüngeren und weniger berufserfahrenen Projektbeteiligten systematisch Raum zu geben." Die oft vollkommen überzogenen Forderungen nach Referenzen, wie erst unlängst beim Linzer Campusgebäude, dürften jedenfalls kein Mittel gegen den "Tunnelblick" sein. Sie dürften eher dem Wunsch nach weniger Wettbewerb geschuldet sein.

Warum also diese Alternativlosigkeit, an der unsere Gesellschaft mehr und mehr leidet? Sie ist lediglich eine Spielart der Einschüchterung. Wir sind zu aktiver Kritik "befugt" und vielleicht sogar verpflichtet.

 



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Kommentare

Kommentar von Michael Rauscher |

TTIP, PPP, BIM usw. dienen mE dazu die Kleinteiligkeit der Bürostruktur in Österreich zu zerstören.

Kommentar von Bernhard Sommer |

Es könnte der Effekt sein; die Motivation diese Entwicklungen voranzutreiben liegt woanders. Zumindest bei TTIP und PPP geht es um die Verschiebung von Allgemeingut, öffentlichen Ressourcen, öffentlichem Recht hin zu privaten Strukturen. BIM als Technologie, darunter verstehe ich das gemeinsame Bearbeiten eines mit Informationen vollgestopften 3D-Modells kann, muss aber nicht die Kleinteiligkeit zerstören.

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