von Blog Work-Life-Balance
Vereinbarkeit Beruf und Familie für Architektinnen - Ein Nachbericht
Am 28. Oktober hat bei der IG Architektur ein von wonderland organisierter workshop und eine Podiumsdiskussion zu dem Thema Vereinbarkeit Beruf und Familie für Architektinnen stattgefunden.
Beim Workshop am Nachmittag haben 15 Architektinnen ihre Erfahrungen ausgetauscht. Sie haben über ihre Schwierigkeiten gesprochen, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Es wurden gemeinsam fehlende Strukturen sowie funktionierende Modelle ausgelotet.
Am Abend waren Ursula Schneider von pos architekten (4 Kinder) und Peter Nageler von nonconform (1 Kind) eingeladen, ihre persönlichen Herangehensweisen zu diesem Thema einem größeren Publikum zu präsentieren. Zum Abschluss hat die Expertin Bente Knolle das Thema in einen größeren Zusammenhang gestellt. Sie hat eine Studie zur Situation von selbständigen Ingenieurinnen in Österreich durchgeführt und dabei festgestellt, dass diese sich beruflich gesehen zufrieden sind, dies jedoch auf Kosten vom Privatleben und Einkommen geht. Bei der Podiumsdiskussion im Anschluss wurde über architekturspezifische Bedingungen gesprochen, die die Vereinbarkeit erschweren – wie z. Bsp. lange Arbeitszeiten - ebenso wie gesellschaftliche Rahmenbedinungen, denen wir hier in Österreich begegnen.
Aus den Gesprächen während des Workshops, der Podiumsdiskussion, aber auch aus den Interviews, die wir im Vorfeld geführt haben, und den ausgewerteten Fragebögen, haben wir nun erste Erkenntnisse gewonnen:
>> Arbeitsverhältnisse
Ob Angestellt oder Selbständig, das gewählte Arbeitsverhältnis hat einen starken Einfluss auf die Vereinbarkeit. Jede Form hat ihre eigenen Vor- und Nachteile:
Angestelltenverhältniss: einen Teilzeit-Job zu finden scheint in Wien sehr schwierig bis unmöglich zu sein. Teilzeitjobs werden nicht am Markt angeboten, wenn vorhanden, dann resultieren Sie aus einem Vollzeitjob vor dem Kind. Eine Teilnehmerin mit Erfahrung in großen Projekten sucht seit zwei Jahren ein Teilzeitjob. In ihrem vorherigen Teilzeitjob hat sie wenig Anerkennung erhalten. Sie musste ‚Türlisten füllen‘ statt Verantwortung zu tragen, die ihrer Kompetenz und Fähigkeit enstprochen hätte.
Selbständigkeit: In der Selbständigkeit scheint die Vereinbarung von Kind und Beruf möglich aber anstrengend zu sein. Hier gibt es mehrere Modelle, von ‚Klein und Allein’ bis zur Büropartnerschaften mit Lebenspartner oder jemand anderem.
Selbständig - Modell ‚Klein und Allein‘: man arbeitet alleine. Eine Teilnehmerin erzählt, dass sie im Büroalles selbst abfangen muss und parallel die Hauptverantwortung für die Kinder trägt (der Lebenspartner trägt die finanzielle Hauptverantwortung). Das bedeutet Akkumulierung der Hauptverantwortungen: Stress Beruf + Stress Familien
Selbständig - Modell Büropartnerschaft (mit Lebenspartner oder anderem). Kinder können ein Knickpunkt in der beruflichen Partnerschaft darstellen: die Partner springen ab. Man sucht sich Nischen im eigenen Büro, da volle Projektbegleitung nicht möglich scheint.
>> Architekturspezifische Themen
Es gibt Spezifika, die für den Beruf des Architekten charakteristisch sind und die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschweren:
Open End Mit Kindern sind keine langen Arbeitszeiten mehr möglich, wie sie in der Architektur meist erwartet werden. Auch fehlt Zeit für wichtige Nebentätigkeiten wie Netzwerken, Weiterbildung.
Leidenschaft Architektur wird als Leidenschaft erlebt, aber sobald Kinder da sind, wird diese Leidenschaft abgewogen gegen den Mangel an Flexibilität, an finanzieller Sicherheit und dem hohen beruflichen Stress. Das Thema ‚ aussteigen‘/ Architektur verlassen (Suche nach einem Beruf mit einem ‚leichteren Lebensgefühl‘) ist präsent. Anstellung oder Feldwechsel scheinen mögliche aber schmerzhafte Strategien: Architektur ist Leidenschaft deswegen ist Umorientierung schwierig.
>> UNGESCHRIEBENE REGELN, DIE MAN IN FRAGE STELLEN SOLLTE
- ein guter Architekt muss 100% seiner Lebenszeit in Arbeit investieren / entgrenztes Arbeiten:
- Architektur und Teilzeit Arbeit sind nicht vereinbar
- Projektleitung geht nur mit Vollzeit Arbeit
- Hauptverantwortungen in der Projekt-Realisierung und Teilzeit Arbeit sind nicht vereinbar
- Teilzeit Arbeit bedeutet für ein Büro, Ressourcen zu verlieren
- Computerarbeitsplätze müssen voll ausgelastet sein
- Karriere macht man nach 17.00 Uhr
- Selbständigkeit ist besser mit Familien vereinbar
- gesellschaftliche Zuschreibungen betreffend Aufteilung und Verantwortung der Familien Arbeit:
- Vereinbarkeit ist ein Frauen Thema
- Der der weniger verdient, bleibt bei den Kinder (siehe Frau + Architektur)
- Auf Kinder aufpassen= Hausarbeit übernehmen
- Alles erfüllen, alte und neue Rollenbilder gleichzeitig: selbst gebackene Kuchen+ erfolgreich im Beruf….
>> IDEAL ZUSTAND / LEITBILD
Wie sehen die idealen Rahmenbedinungen in der Architektur aus? Zentrales Thema ist die Verbesserung der Zeitkultur im Büro. In der Podiumsdiskussion wurde angemerkt, dass Effizienz auch anstrengend sein kann, Architekten sollten mehr als Unternehmer agieren. Verantwortungsvolle Teilzeitjobs und Jobsharingsmodelle können aus dieser verbesserten Zeitkultur entstehen und müssten möglich sein. Es geht nicht nur um Frauen: Familie ist als Gemeinschaftsprojekt zu verstehen und kein Frauenthema (Ursula Schneider).
>> Bewusstseinsbildung
>> Effiziente Projektstrukturierung (Lange Arbeitszeiten sind auch Bequemlichkeit !)
>> Bessere Zeitkultur im Büros / Arbeitszeiten 9-17Uhr
>> Jobsharing
>> Teilzeit auch als Qualitätsarbeit
>> Mütter als Projektleiterinnen, weil perfekte Managerinnen
>> Unterstützung durch die Architektenkammer betreffend Berufsbild in der Öffentlichkeit
>> Netzwerken unter Eltern
>> MASSNAHMEN
Welche Massnahmen müssen wir setzen, um die Rahmenbedingungen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu schaffen? Ziel des Projektes ‚Vereinbarkeit Beruf und Familie für Architektinnen’ ist es, die Vor- und Nachteile der jeweiligen Arbeitsformen genauer zu durchleuchten, architekturspezifische Themen aufzuzeigen wie zB. die Notwendigkeit die Zeitkultur im Architekturbüro zu überdenken. Weiters wollen wir über Vernetzung und Informationsaustausch ein Netzwerk aufbauen, um Erfahrungen auszutauschen, bis dahin Teilzeit und Jobsharing zu fördern.
Anne Isopp, Silvia Forlati, Sabina Riss-Retschitzegger
Feedback, Anmerkungen und Kommentare bitte an Research